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Nicolai Shutorev oder was Bugs Bunny mit den Comedian Harmonists zu tun hat
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Seit ich anfing, mich mit den Comedian Harmonists zu beschäftigen, ging mir dieser Satz nicht aus dem Sinn:
"Nach einem erfolgreichen Start in Schweden erkrankte jedoch der Buffo des Ensembles schwer und starb kurz darauf an einem Magendurchbruch." (Peter Czada/Günter Große, Die Comedian Harmonists. Ein Vokalensemble erobert die Welt. Edition Henrich, 1. Auflage 1993.)
Das Ensemble von dem die Rede ist, war die unter Enthusiasten als "Amerikanische Gruppe" bekannte Formation, die Erich Collin nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen hatte. Seine Ex-Kollegen Roman Cycowski und Harry Frommermann hatten ihm eine Absage erteilt, und so fand er fünf junge amerikanische Musiker für sein zukünftiges Ensemble. Es handelte sich um Jack Cathcart (Piano), Fred Bixler (Erster Tenor), Murray Pollack (Zweiter Tenor), Nicholas Shuteroff (Bariton und Buffo) und Arthur Atkins (Bass). Über die meisten von ihnen weiß man wenig. Am meisten ist über Jack Cathcart bekannt, der später eine relativ solide Karriere als Orchesterleiter hinlegte und schon zum Zeitpunkt der Gründung der neuen Gruppe ein etablierter Musiker war.
Wenig weiß man dagegen über Nicolai Shutorev. Sein tragischer früher Tod mit nur 33 Jahren führte dazu dass Erich Collin mit einer Bitte um Hilfe an Harry Frommermann in die Schweiz telegrafierte, und somit bald darauf zwei der originalen Comedian Harmonists wieder zusammen auf diversen europäischen Bühnen standen. Auf den bekannten Fotos der "Amerikanischen Gruppe" ist Harry Frommermann zu sehen. Auch die Plattenaufnahmen in der Schweiz fanden erst nach Shutorevs Tod statt.
Wer war Nicolai Shutorev, dessen Tod wir, makaber ausgedrückt, die Wiedervereinigung zweier Harmonists verdanken?
Zu meinem Erstaunen stieß ich vor wenigen Tagen auf den Namen in einem vollkommen unerwarteten Zusammenhang, nämlich in einem Beitrag in einem online Forum, in dem gefragt wurde, ob jemand etwas über einen Opernsänger namens Shutorov (sic) wisse, der in einer legendären Bugs-Bunny Episode aus dem Jahr 1949 der Figur eines Cartoon-Opernsängers seine Stimme geliehen hatte. Die Frage stand im Raum, ob dieser Shutorov überhaupt jemals existiert hatte.
Wie wir wissen, hat er tatsächlich gelebt, wenn auch nur kurz, und er hatte tatsächlich schon einen interessante Lebensweg hinter sich als er mit seinem Tod Frommermann und Collin zusammenführte.
Als Nicolai Grigoriewitsch Shutorev wurde er am 30.12.1914 als Kind russischer Einwanderer in San Francisco geboren. Er war das jüngste von fünf Geschwistern und das erste Kind der Familie, das in den Vereinigten Staaten geboren wurde. Sein Vater Grigori war Nieter in einer Werft, seine Mutter Wäscherin. Im Jahr 1934 schloß Nicolai die High School ab, was er danach arbeitete und welche musikalische Ausbildung er hatte, ist ungewiss, aber bereits im Jahr 1938 dirigierte er ein Balalaika-Orchester und einen A-Capella Chor auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung der Russischen Kirchengemeinde.
Vor dem Krieg gehörte er zum Ensemble der Los Angeles Opera Company (oder der von San Francisco, die Quellen sind sich uneins). Im Jahr 1940 heiratete er Luby Bubeshko (1916-2011), am 28. Dezember 1942 wurde er zum amerikanischen Militär eingezogen. Er war zunächst in Californien, ab Anfang 1943 in Pennsylvania stationiert, im als "The Gap" bekannten Fort Indiantown Gap in der Nähe von Harrisburg. Im Laufe der nächsten Jahre nahm er an zahlreichen USO Veranstaltungen teil, wo er oft auch russische Lieder sang. Interessanterweise wurde er oft als "Russischer" Sänger angekündigt. Er soll auch selbst Lieder komponiert haben die unter seinen Zuhörern sehr beliebt waren. Er wirkte in Indiantown an Wohltätigkeitskonzerten, einem Folk-Wettbewerb, Tanzabenden und Radiosendungen mit.
Auf diesem Foto ist er mit Constantine Calanicos zu sehen, der ihn oft als Pianist begleitete:
Calanicos hatte vor dem Krieg gelegentlich die berühmte Sängerin Lily Pons begleitet.
In dieser Ankündigung eines Unterhaltungsabends wird Shuterov als "California's gift to Indiantown" bezeichnet:
Wie man sieht, werden "Filme"erwähnt an denen er beteiligt gewesen sein soll (möglicherweise geht es um Rollen als Synchron-Sprecher/-Sänger), und seine volle Bariton-Stimme wird hervorgehoben:
In einem Bericht der Neosho Daily News vom März 1945 wird sein besonderes Talent für humoristische Beiträge betont, ebenso wie die Leichtigkeit seiner Präsentationen, seine Ausdrucksstärke und seine Fähigkeit zur Anpassung seines Vortrags an die jeweilige Art des Stückes. Alles Eigenschaften die, wie es scheint, ihn förmlich zum Comedian Harmonist prädestinierten! Sein Programm hatte die unterschiedlichsten Bestandteile: humoristische Nummern, Volkslieder, russische und italienische Lieder, Klassiker von Haendel ebenso wie die ein oder andere patriotisch-amerikanische Nummer.
Nach dem Krieg verschlug es Shutorev nach Berlin wo er ebenfalls einige Auftritte absolvierte. Nach dem Ende seiner Militärzeit trat er als Solist in Kirchenchören und bei Gesangsabenden auf, und war wieder Ensemblemitglied der Los Angeles Opera Company, mit der er am 19.September 1947 im "Barbier von Sevilla" auftrat.
Außerdem war er Teil einer Gesangsgruppe namens "The Serenaders" die aus einer Sopranistin, einer Mezzosopranistin (die das Ensemble auch auf dem Klavier begleitete), Shutorev (Bariton) und einem Bass bestanden, und bei ihren Auftritten eine bunte Mischung aus Vokal- und Instrumentalnummern von Klassik über Volkslied zur Operette boten. Möglicherweise lernte Erich Collin, der in Los Angeles lebte, Shutorevs Qualitäten bei einem seiner Auftritte mit den Serenaders kennen?
Seit Ende 1947 gehörte Shutorev (der sich auch Nicholas Shuteroff nannte) zu Erich Collins Ensemble. Im Sommer 1948 begann die Tournee der Gruppe in Stockholm.
Am 20. September 1948 starb Nicolai Shutorev an einem Magendurchbruch in Bergen, Norwegen, mit nur 33 Jahren.
Als die Bugs Bunny Episode "The Long-Haired Hare" am 25. Juni 1949 ausgestrahlt wurde, war Nicholas Shutorev schon seit mehr als acht Monaten tot. Sein Name wurde erst im Rahmen der DVD-Veröffentlichung von The Bugs Bunny/Roadrunner Movie genannt.
Die Einmaligen Annäherung an ein Gesangsensemble Teil 1 Seit 100 Jahren sind ihre Lieder in unserem kollektiven Gedächtnis: Der “kleine grüne Kaktus”, “Wochenend und Sonnenschein”, “Veronika, der Lenz ist da”. Fast jeder hat diese Melodien im Ohr, und vor dem inneren Auge der meisten Menschen entsteht beim Gedanken an den kleinen grünen Kaktus sofort ein Bild von namen- und gesichtslosen Männern in Fracks. Ihre Stimmen hat jeder im Ohr, aber nur wenige wissen, wer diese Männer waren, die in den frühen 30er Jahren zum Exportschlager der Weimarer Republik wurden. Bis zu den Scorpions und Tokio Hotel waren die Comedian Harmonists die erfolgreichste und populärste deutsche Musikgruppe. Als ihr Bariton, Roman Cycowski, 1998 als letzter fast 100jährig starb, war darüber in Zeitungen weltweit zu lesen. Erich Collin, der zweite Tenor der Gruppe, der als letzter dazu stieß und als erster starb, kam bisher in den meisten Veröffentlichungen zu kurz. Als in den 70er Jahren eine Fernsehdokumentatio...
Die Einmaligen Annäherung an ein Gesangsensemble Teil 2 Erich Collins Studienkollege Erwin Bootz gehörte seit dem Frühling 1928 zu einer Gruppe junger Männer, die beschlossen hatten, ein Gesangsensemble nach dem Vorbild der amerikanischen „Revelers“ zu gründen. Die Geschichte ist mehr oder weniger bekannt: im Dezember 1927 hatte der damals gerade erst volljährig gewordene ehemalige Schauspielschüler Harry Frommermann – er hatte die Schauspielschule wegen Disziplinlosigkeit verlassen müssen – eine Anzeige im Berliner Lokalanzeiger aufgegeben, deren Wortlaut legendär geworden ist: „Achtung. Selten. Tenor, Baß (Berufssänger, nicht über 25), sehr musikalisch, schönklingenden Stimmen, für einzig dastehendes Ensemble unter Angabe der täglich verfügbaren Zeit gesucht. Ej. 25 Scherlfiliale, Friedrichstr. 136.“ Sein Ziel war eine Gruppe aufzubauen, die im Stil der Revelers den deutschen Markt erobern sollte. Die Revelers machten in den 20er Jahren mit ihrem perfekten A-Cappella-Gesang und neua...
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